Comply AND Explain

Compliance-Kommunikation: Compliance ist das Rückgrat einer guten Unternehmensführung. Auch Kommunikationsverantwortliche sind gefordert, zu ihrem Gelingen beizutragen. Comply and Explain lautet das neue Motto.

Comply and ExplainDie großen Compliance-Fälle von Enron bis Volkswagen erlangten traurige Berühmtheit durch ihre Präsenz in der Presse. Kartellverstöße bei ThyssenKrupp oder Bilanzfälschungen bei Olympus scheinen für Unternehmen erst dann zu einem Problem zu werden, wenn teure Strafzahlungen fällig sind und die Reputation beschädigt ist. Im Anschluss an Skandale bei Mitarbeitern und Führungskräften Compliance einzufordern, ist unerlässlich, aber eigentlich zu spät. Gute Compliance-Kommunikation setzt als Reputationsschutz an, bevor etwas passiert – ähnlich wie vorbeugende Maßnahmen zur Arbeitssicherheit. Denn Compliance wirkt letztlich nur von innen nach außen. Wer ein gutes Immunsystem aufbaut, beugt schweren Krankheiten vor.
Compliance hat als Kommunikationsthema in Unternehmen häufig ein schlechtes Image. Zu oft dominiert in den Botschaften eine „weg-von“-Rethorik: „Früher waren wir nicht compliant, aber ab sofort machen wir alles anders.“ Oder „wer die Vorschriften nicht einhält, gegen den gehen wir mit aller Härte vor.“ Weder Mitarbeiter noch Führungskräfte lassen sich gern unter Generalverdacht stellen.


Zielführender ist dagegen eine positive Perspektive, die an die Identifikation der Arbeitnehmer appelliert: „Wir sind stolz auf unsere Produkte, auf unser Unternehmen und deshalb wollen wir es vor Schaden bewahren.“ Oder wie Audi es 2012 in einer Compliance-Kampagne formulierte: „Wir schützen, was wir lieben.“ Solche Botschaften richten sich an das integre, ethische Verhalten der Menschen.
Den meisten Menschen fällt es im Privatleben leicht, sich integer zu verhalten: Im Fußballverein, in der Nachbarschaft oder auf dem Schulfest engagieren sich Menschen für ihre persönlichen Werte. Im Berufsleben werden aus Integrität und Ethik plötzlich Fremdworte, die sich scheinbar nur schwer in den Arbeitsalltag übersetzen lassen.

Vitamin C

Wirksame Kommunikation von Compliance beginnt lange vor der internen Veröffentlichung von Richtlinien und umfasst mehr als Gesetzestexte und Prüfprotokolle.
Wichtiger Bestandteil ist ein Code of Conduct oder auch Verhaltensgrundsätze. Der Kodex dient Führungskräften und Mitarbeitern als Richtschnur für ihre Verhaltensweisen im Unternehmen. Diese Grundsätze enthalten nicht nur Regeln, sondern stützen sich auch auf Werte der Unternehmenskultur. Werte erlauben die persönliche Identifikation und rufen zur Initiative und Eigenverantwortung auf. Seine volle Wirkung entfaltet der Code of Conduct aber erst durch eine nachhaltige Einbindung ins Unternehmen.
Bevor Produkte wie Trainingvideos oder Hochglanzbroschüren Mitarbeiter und Manager über ihre Rechten und Pflichten aufklären, muss sich die Unternehmensspitze zur Compliance bekennen. Nur mit dem Commitment des CEO im sogenannten Tone from the Top erreichen die Botschaften der Compliance-Schulungen ihre Zweck. Denn Mitarbeiter registrieren sehr genau, wenn internen Medien Appelle zu regelgerechtem Verhalten veröffentlichen, aber der Vorstandsvorsitzende zu diesem Thema schweigt.

Der Ton von der Unternehmensspitze setzt idealerweise eine Kaskade durch alle Ebenen der Organisation in Gang. Manager sind bei der Einführung oder Stärkung einer Compliance-Kultur im Unternehmen in ihrer Rolle als Führungskraft stärker gefordert als zuvor. Sie müssen handlungsfähig sein und im Zweifel unangenehme Entscheidungen vertreten können. Vorgesetzte haben die Aufgabe ihre Mitarbeiter bei der Auslegung des Verhaltenskodexes zu stärken und sie bei Entscheidungen in Grauzonen zu unterstützen.

Und statt oder – Comply and Explain will gelernt sein

Der Kommunikationsberater und Leadership-Trainer Simon Sinek braucht nur drei Worte, um seine Führungsphilosophie zu beschreiben: „Start with why.“ Wer seinen Mitarbeitern zuerst erklärt, aus welchem Grund sie etwas tun sollen, unterstützt sie dabei, sich mit den Zielen zu identifizieren. Dies gilt in besonderem Maße für die Kommunikation von Compliance. Neue oder zusätzliche Richtlinien einzuhalten, bekommt dann einen Sinn und ist weniger störend, wenn die Gründe dahinter bekannt sind.
In Abwandlung des Grundsatzes von Corporate Governance „Comply OR Explain“ (Vorschriften einhalten oder die Abweichung erklären), lässt sich für die Einführung von Compliance daher formulieren: „Comply AND Explain“. Solange Compliance in Unternehmen keine Selbstverständlichkeit, ist die Kommunikation darüber, warum die Einhaltung der Regeln wichtig und sinnvoll ist, unerlässlich.

Die Einführung eines veränderten Compliance-Bewusstseins kann im Unternehmen zu Konflikten mit alten Gewohnheiten und Verhaltensweisen führen. Häufig unterschätzt die Geschäftsführung die Dynamik, die die Einführung von Compliance auf die Kultur der Organisation haben kann. Daher sollten sich Entscheider vor der Einführung von Compliance mit möglichen Widerständen im Unternehmen auseinandersetzen und diese in den Veränderungsprozess mit einbeziehen.
Widerstände tauchen bei Compliance nicht nur gegenüber neuen Richtlinien auf. Manche Führungskräfte oder Mitarbeiter projizieren ihre Ablehnung gegen Compliance auch auf die Person des Compliance Verantwortlichen. Aber ein Compliance Officer ist weder der „Polizist“ im Unternehmen, noch der „Feel good Manager“. Für eine erfolgreiche Einführung von Compliance sind PR-Chefs und Compliance Officer daher enge Partner. Kommunikationsverantwortliche können viel für die Akzeptanz von Compliance tun, wenn sie gemeinsam mit den Compliance-Verantwortlichen eine nachhaltige Kommunikationsstrategie entwickeln.

Der Beitrag ist zuerst in “KomMa”, Magazin für Kommunikationsmanager 01/2016 erschienen.