Buch des Monats: “Text sells” ist Pflichtlektüre für Sprachliebhaber

Perfektes Versprechen: Text sells. Ein Buch zu Corporate Language von den führenden Experten auf dem Gebiet. Mit einem Preis von 50 Euro ist der Kauf des Buches schon eine kleine Investition. Doch lohnt sich das? Und wenn ja, für wen?

Mehr als zehn Jahre lang habe ich in der Internen Kommunikation eines führenden deutschen Medienhauses gearbeitet. In dieser Zeit habe ich die Mitarbeiterzeitschrift geschrieben, das Intranet aufgebaut und eine internationale Kommunikation implementiert. Und ich kann sagen, Medien für Medienmacher zu machen, ist wie Fliegenfischen. Man kann eigentlich nur verlieren. Oder man wird demütig und versucht immer besser zu werden.

Wer sich Gedanken macht über Worte und Wörter, über das, was und wie er etwas sagt, drückt nicht nur seine Gedanken treffender aus, die Botschaft des Gesagten wird auch exakter.

Was bietet das Buch “Text sells”?

Das Buch bietet für Menschen etwas, die Fakten wollen. Reins nennt sie „Informationsleser“. Für sie gibt es Grafiken, Checklisten und Schaubilder.

Aber es bietet auch etwas für die “Erlebnisleser”. Menschen, die sich Zeit nehmen und auf einen Text einlassen und ihm Zeit geben. Die Interviews mit einer Boxtrainerlegende oder dem Wirtschaftsjournalisten Frank Lehmann.

Neben den Lesestücken stellen Classen, Reins und Czopf auch handfeste Anleitungen bereit zur Entwicklung einer Corporate Language. Eine Grafik zeigt, welche Sprachstil bestimmte soziale Gruppen. Das macht das System für den Leser nachvollziehbar und für Entscheider umsetzbar. Wer seine Zielgruppe kennt, kann so ableiten, wie er seine Kunden erfolgreich anspricht.

Ich finde es sehr lobenswert, dass sie mit ihrem System so transparent umgehen und ihre Kenntnisse mit den Lesern teilen. So kann ein Unternehmen eigenständig erste Schritte hin zur Entwicklung einer Corporate Language unternehmen. Doch ich empfehle jedem Unternehmen sich während des Prozesses von einem Experten unterstützen zu lassen.

Da hat man es nicht nur schwarz auf weiß: Text sells.

Da hat man es nicht nur schwarz auf weiß: “Text sells”.

Wer sollte das Buch lesen?

Der Verlag nennt auf dem Klappentext bereits die wichtigsten Zielgruppen: Texter, Kommunikatoren, Marketingleiter. Und darüber hinaus auch die Entscheider in den Unternehmen.

Ich möchte das Buch aber noch weiteren Gruppen ans Herz legen: Blogger, die sich sowieso viel mit Schreiben beschäftigen, können aus der Auseinandersetzung mit dem Buch nur gewinnen. Und auch Berater, Trainer, Online-Shop-Betreiber, die ihre Produkte mit gewinnenden Formulierungen an den Mann oder die Frau bringen müssen. Bessere Texte sind schließlich nicht nur gut fürs Konto, sondern auch fürs Karma.

Bessere Texte sind nicht nur gut fürs Konto, sondern auch fürs Karma. Klick um zu Tweeten

Was hat mich begeistert?

Häufig heißt es, das Wichtigste im Text direkt zum Einstieg. Meist finde ich das langweilig. “Text sells” startet anders: Zum Einstieg ins Buch und Thema gibt’s es die Dokumentation der Email- und SMS-Korrespondenz zwischen Veronika Classen und Udo Lindenberg, die das Interview mit dem Musiker und Grimme-Preisträger vorbereiten soll.

Viele Kommunikations- oder Marketing-Leute, die mit VIPs oder Promis Termine und Themen abstimmen mussten, werden sich hier wieder erkennen. Ich musste schmunzeln, da ich mich in die Lage von Veronika Classen versetzen konnte, das Buch muss fertig werden, aber zwischen der ersten Anfrage und dem Interview liegen dann doch fast 12 Monate. Der Abdruck der Korrespondenz ist nicht nur unter sprachlichen Aspekten interessant. Spannend finde ich vor allem, was nicht abgedruckt wird: Die vermutliche Freude der Autorin bei der Zusage von Udo Lindenberg. Die Hoffnung, dass es innerhalb des Zeitrahmens klappt und die langsam aufsteigende Sorge, dass das Interview vielleicht doch nicht statt finden wird?

Was hat mich enttäuscht?

Der Klappentext verspricht Einblick in die Corporate Language von Unternehmen wie Philips, Haufe Lexware, Nivea. Die Interviews mit den Verantwortlichen verraten jedoch mehr über den Stellenwert der Sprache für die Marke als über die Entwicklung einer Corporate Language für die einzelnen Marken. Ich hätte mir konkrete Beispiele aus dem Alltag, bzw. interessante Gegenüberstellungen von Formulierungen gewünscht, um das Thema Corporate Language für Marken weniger abstrakt zu behandeln.

Die Zusammenfassungen am Ende jedes Marken-Kapitels sind so allgemein formuliert, dass sie schließlich austauschbar werden. Beispielsweise sowas “Sprache ist ein wirksames Mittel. Das fällt sofort auf.” Oder: “Sprache verändert sich stetig.” Bei mir stellte sich der Verdacht ein, dass die Marken-Verantwortlichen der individuellen Kraft ihrer Marken-Sprache doch nicht vertraut haben. So dass sie am Ende ihre eigenen konkreten Erkenntnisse und Erfahrungen nicht teilen wollten.

Mein Fazit:

Reins, Classen, Czopf haben mit “Text sells” eine Wundertüte vorgelegt: Schöne Lesestücke, wichtige Insights, praktische Checklisten. Schade, dass die Ergebnisse der Unternehmens-Kapitel nicht das hohe Niveau des Buches halten können.

Reins, Classen, Czopf haben mit 'Text sells' eine Wundertüte vorgelegt: Schöne Lesestücke, wichtige Insights, praktische Checklisten Klick um zu Tweeten

Für den stolzen Preis bekommt man jede Menge: Was Spannendes, was Unterhaltsames und was zum… nein, zum Naschen ist nichts dabei. Aber jede Menge zum Lernen. Das Buch könnte sich zum Klassiker in meinem Schrank entwickeln. Als Handbuch kann man sich Ideen holen, mal über die schlimmsten (anonymen) Patzer schmunzeln oder sich mit der eigenen Sprache beschäftigen. Was die Wundertüte “Text sells” für den Alltag so wichtig macht, ist, dass für jede Situation oder jedes Bedürfnis etwas dabei ist. Will ich unterhalten werden, will ich was lernen oder nur kurz etwas nachschlagen? Das Buch bietet für jeden Leser etwas. Und nicht zuletzt ist es mit viel Liebe zum Detail und zur Buchdruckerkunst verlegt.

Die Fakten

Text sells von Veronika Classen | Géza Czopf | Armin Reins
Wie Sie Texte schreiben, die wirken.
Wie Sie Unternehmen und Marken durch Sprache Profil geben.
384 durchgehend zweifarbige Seiten
mit Interviews, Case-Studies, Praxistipps, Checklisten und zahlreichen Abbildungen
Verlag Hermann Schmidt, Mainz
Format 18,7 x 24,8 cm
Fadengehefteter mattfolienkaschierter Festeinband mit zwei farbigen Lesebändchen

ISBN 978-3-87439-808-4
49,80 € (inkl. 7% MwSt., zzgl. Versandkosten)